Interview mit Alla Gonchar, Musik- und KlavierpÀdagogin
Alla Gonchar ist als MusikpĂ€dagogin und KlavierpĂ€dagogin aktiv. Sie hat am Konservatorium Uman/Ukraine in Kiew ihr musikpĂ€dagogisches Studium mit einem pianistischen und pĂ€dagogischen Abschluss absolviert. Seit ihrer Umsiedlung nach Deutschland hat sie auĂerdem ein Studium der MusikpĂ€dagogik, Musikwissenschaft und Kunstgeschichte an der UniversitĂ€t Augsburg abgeschlossen und dort unterrichtet. Seitdem gibt sie ihre Erfahrungen im Klavierunterricht weiter und bereitet beispielsweise auch SchĂŒlerinnen und SchĂŒler fĂŒr AufnahmeprĂŒfungen zu einem Musikstudium vor.
NĂŒtzliche Links:
https://musikinstitut-allegro.de/
https://www.bechstein.com/centren/augsburg/service/klavierunterricht/
@alla_allegro
@allagoncharimprodance6652
Bearbeitetes Interview mit Alla Gonchar am 18. November 2025

Im Folgenden eine bearbeitete Fassung des zweiten Teils des Interviews zum Thema Musik und Ballett, das mich besonders interessiert hat.
Du hast dich auch intensiv mit klassischem und modernem Ballett auseinandergesetzt bzw. bist ja selbst als TĂ€nzerin sehr aktiv, was man ja auch in vielen YouTube â Videos sehen kann. Wie kam es denn zum Thema Tanz?
Ganz einfach, der Tanz war eigentlich vor der Musik. Ballett war mit fĂŒnf, Musikschule erst mit sieben. Das waren die Entscheidungen von meinen Eltern, weil ich auffallend beweglich und musikalisch war. Eine Nachbarin, die Klavierlehrerin ist, hat meiner Mutter vorgeschlagen, ob ich nicht die AufnahmeprĂŒfungen in der Musikschule probieren sollte, weil ich andauernd gesungen und eben getanzt hab, und das sind, wie ich heute auch bestĂ€tige, die zwei wichtigsten Voraussetzungen fĂŒr eine Klavierausbildung, dass das Kind vorher singt und tanzt. Ich habe im Februar AufnahmeprĂŒfungen gemacht, gleich nachdem ich gerade sieben Jahre alt wurde. Ich habe die PrĂŒfungen gut bestanden, und so kam ich zu der hervorragenden Lehrerin in der Musikschule, Natalia Grischenko, Absolventin der Gnessin-Akademie, und so fing das an.
Gibt es eine bestimmte Stilrichtung, die du bevorzugst?
Es wechselt genauso wie mit den Komponisten, phasenhaft. Zu Beginn tanzte ich klassisches Ballett, danach kamen moderne TĂ€nze. Mit 13 hab ich zum Beispiel Michael Jacksons âThrillerâ mit der Gruppe getanzt und Rock ânâ Roll. Danach gabâs eine Pause wegen des Klavierstudiums, und als ich hier in Deutschland angefangen habe, weiter zu studieren, ich glaube nach dem 2. Semester, hab ich mich wieder bei einer Tanzschule eingeschrieben, und da ging es mit Standard-Latein weiter, Salsa, Cha-Cha-Cha und wie sie alle heiĂen. Danach gabâs argentinischen Tango, Salsa, Kizomba und âContemporary Balletâ, was ich am allermeisten liebe, und jetzt hab ich gerade Flamenco angefangen.
Welche Musik ist eigentlich ĂŒberhaupt fĂŒr Tanzmusik geeignet, also als Choreographie umsetzbar?
Absolut alles. Du bist natĂŒrlich mit deinem technischen Equipment wahrscheinlich etwas begrenzt. Aber darum gehtâs auch nicht. Wir sind ja schlieĂlich keine ProfitĂ€nzer.
Du hast gerade von Denken jetzt gesprochen. Wie stehtâs da um die Fantasie, die eigene Fantasie, die man da miteinbringt?
Das ist nĂ€mlich das Wichtigste. Kein Geringerer als Schubert sagte, das Wichtigste ist die Fantasie. Und wenn das schon Franz Schubert sagtâŠ
Andere, so âbanaleâ Dinge wie Atemtechnik, allgemeine Fitness, Körperbeherrschung, was spielt denn das fĂŒr eine Rolle dann beim Tanz?
NatĂŒrlich musst du ĂŒben, Wunder geschehen nicht. Ganz klar. Manchmal ĂŒbâ ich mehr, manchmal weniger, und im Sommer, wenn es zu heiĂ ist, da hast du es einfach etwas schwerer als zum Beispiel am FlĂŒgel. Die Hitze macht ja nicht soviel aus, wenn du Klavier ĂŒbst. Im Tanz kannst du dich dagegen nicht schĂŒtzen. Das ist körperlich. Da ich den Vergleich habe, es ist viel viel intensiver.
Spielt da eigentlich auch die ErnÀhrung eine Rolle?
Ja, natĂŒrlich musst du auf deine ErnĂ€hrung achten, weil, kaum hast du, so wie ich zum Beispiel, ein paar Kilos zugenommenâŠ, das ist einfach viel leichter, wenn du leicht bist. Du kannst deinen Körper besser, schneller drehen, du kannst einfach besser damit umgehen. Es ist nur ein Instrument, das du zur VerfĂŒgung hast, um sich plastisch auszudrĂŒcken. Und es ist einfach bequem, ein leichtes Gewicht zu haben.
Tanzt du eigentlich mehr nach einer festgelegten Choreographie oder eher spontan?
Ich höre mir ein StĂŒck mehrmals durch, manches spiele ich selber. Wenn ich mir das StĂŒck anhöre, dreht sich eine choreographische Geschichte im Kopf. Ein Musikwerk ist immer mit entweder einem GemĂ€lde zu vergleichen oder mit einem Buch, oder mit einem GefĂŒhlserlebnis. Das ist immer eine Geschichte, da sind immer Klanggebungen dabei, das ist immer ein Format. Die Kriterien fĂŒr einen Tanz, Bild, Buch, Musikwerk, architektonisches Werk, sind immer dieselben, mit Kulmination, mit der Dynamik, mit den Farben, Plastik, Phrasierung und mit dem Inhalt natĂŒrlich.
In welchem Alter sollte man bei entsprechender Eignung ĂŒberhaupt mit dem Ballettunterricht beginnen?
Je frĂŒher, desto besser. FĂŒnf ist ein gutes Alter.
Und wie wird denn so eine Eignung dann ĂŒberhaupt festgestellt? Es ist ja nicht jeder geeignet fĂŒrâs Ballett.
In Russland nicht. In Deutschland schon. Und inzwischen, find ich, eine goldene Mitte ist gesund.
Das ist wie beim Klavierspiel oder Geigenspiel. Die GröĂe deines Apparates, deine AuswĂ€rtsdrehung und AuswĂ€rtsstellung sind maĂgeblich. Die Frage ist, wie weit du kommen möchtest und fĂŒr welche Ziele du dich entscheidest, und genauso ist es mit den FĂŒĂen im Tanz. Ob du Rechtsbeiner bist oder Linksbeiner, das ist genau so, als ob du mit der rechten Hand schreibst oder mit der linken. Genauso ist es mit den FĂŒĂen. Ich bin zum Beispiel Linksbeiner.
Das ist interessant. Pianisten können ja beliebig lang vom Alter her spielen, mit ĂŒber 90 auch noch. Bis zu welchem Alter kann man, ohne dass man die Gesundheit ruiniert oder gefĂ€hrdet, klassisches Ballett tanzen?
Das kommt dârauf an. Profis gehen so mit plus minus 40 Jahren schon in Rente, weil die meisten von ihnen leidenschaftlich unterrichten und ihr Können weitergeben. Das ist natĂŒrlich immer sehr individuell wie dein Körper mithĂ€lt. Es gibt natĂŒrlich Menschen wie Plisetskaya, Alonso, sehr viele, die das bis inâs hohe Alter gekonnt hatten.
Demis Volpi â der Nachfolger von John Neumeier in Hamburg â hat einmal geĂ€uĂert: âIch möchte, dass das Publikum im Theater trĂ€umen und fĂŒhlen kann. Dass es versteht, was passiert.â
Braucht der durchschnittliche weibliche bzw. mĂ€nnliche Zuschauer oder Zuhörer bestimmte Vorkenntnisse, um eine BallettauffĂŒhrung genieĂen zu können?
Ja. Speziell John Neumeier, ohne zu wissen, dass du auf ihn zu sprechen kommst, der ĂŒbrigens erst nach seinem 80. Geburtstag aufgehört hat zu unterrichten, wollte ich unbedingt erwĂ€hnen, weil das wie John Cranko und Irgi Kilian (Mozart ist seine SpezialitĂ€t) fĂŒr mich einige der gröĂten Choreographen im Tanz sind. Das bewundere ich. Wie kann man, zum Beispiel wie Neumeier, so intellektuell hervorragend Beethovens und vor allem Mahlers Sinfonien choreographieren.
Was möchtest du noch zum Schluss Musik- bzw. Tanzliebhaberinnen und â Liebhabern mit auf den Weg geben?
Zu tanzen und Musik zu âsehenâ. Ballette zu hören. Also ich sag immer, Ballette hören. Ganz einfach. Instrumentalspiel und Tanz sind siamesische Zwillinge, denn beide befinden sich in delikater Bewegung.

